Mich beschäftigt die Frage, wie in Zeiten zunehmender Digitalisierung Führung so gestaltet werden kann, daß sie "re-emotionalisiert" und die Menschen in ihrem Wesen erreicht. Sie muß, um erfolgreich zu sein, einen Gegenpol zur zunehmenden Technisierung bilden, dabei aber die Technik nutzen.
Was wie die Quadratur des Kreises klingt, ist im Kern ganz einfach: - Warum?
Für das Grundverständnis ist eine Begriffsklärung sinnvoll. Der Begriff „Digital Leadership“ bedeutet die Führung in Unternehmen durch Nutzung von neuen Methoden und Instrumenten durch die Führungskräfte. Hierbei kommen vermehrt Methoden der Zusammenarbeit in sozialen Medien, in der Leistungsbewertung durch onlinegestützte, mobile Systeme, im Projektmanagement u.a. durch Methoden wie Scrum, BarCamp o. ä. zum Einsatz. Kerngedanke ist ist dabei, die Mitarbeiter stärker an der Gestaltung der Prozesse teilhaben zu lassen.
Dieser Ansatz ist im Grundsatz richtig und zeitgemäß, beinhaltet aber zwei Risikofelder, die miteinander korrespondieren:
Riskant ist der Reiz, durch technische Möglichkeiten den direkten Kontakt zwischen den Menschen zu ersetzen, statt ihn intelligent dadurch zu ergänzen, bzw. zu intensivieren. Gerade in einer immer komplexer und dezentraler werdenden Welt, finden sich Führungskräfte vermehrt mit zeitraubenden Reisen, Meetings etc. konfrontiert, die dazu führen, daß Zeit ein noch knapperes Gut wird. Der Reiz, über Messenger, Intranets etc. in Verbindung zu bleiben steigt.
Neue Führungskonzepte werden als neue Methoden eingestuft, also als Instrument, das angewandt wird, ohne zu hinterfragen in welchem Kontext dies sinnvoll ist.
Grundsätzlich ist die Veränderung der Arbeitswelt durch Technik nur der Ausdruck einer Kulturveränderung, die mit Hilfe der Technik umgesetzt wird.
Im Gegensatz zum Wandel von der vorindustriellen Gesellschaft zur industriellen Gesellschaft, die im Wesentlichen körperliche durch maschinelle Arbeit ersetzt hat, befinden wir uns gegenwärtig in einer Entwicklung, die auf der Basis wirtschaftlichen Wohlstandes stattfindet und stark vom Wunsch nach Selbstverwirklichung und eigener Gestaltung und Entfaltung getrieben ist.
Gab es in der industriellen Revolution keine Veränderung der Machtverhältnisse und wurde dort nach wie vor von oben nach unten geführt, so hat der gesellschaftliche Wandel der letzten Jahrzehnte und die Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft ein von Gleichberechtigung und Beteiligung bestimmtes Bild ergeben. Wissen als Machtquelle ist zunehmend demokratisiert. Mehrwert entsteht nicht mehr aus exklusivem Wissen, sondern aus der intelligenten Vernetzung von Wissen.
Die Generationen Y und Z sind mit dieser Prägung aufgewachsen und auch die Generation X ist in Teilen bereits davon deutlich beeinflußt.
Gleichzeitig hat sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- in einen Arbeitnehmermarkt gewandelt.
Auch wenn diese Entwicklungen je nach Land, Region und Branche phasenverschoben stattfinden, sind sie Realität und mit Blick auf Deutschland bereits länger existent.
Es hat ein Paradigmenwechsel mit dem Wandel zur Wissensgesellschaft stattgefunden, der ein Umdenken und ein anderes Leben und verändertes Organisieren von Arbeit fordert. Unternehmerisch sind wir gefordert, diese Entwicklung zu erkennen und in gestalterischen Lösungen Antworten darauf zu geben.
Einerseits benötigen Unternehmen in einer komplexen, hochtechnisierten und vernetzen Welt Mitarbeiter, die kreativ, empathisch, selbstmotiviert und fähig sind komplexe nichtlineare Probleme zu lösen.
Andererseits suchen Menschen in Ihrer Arbeit einen Sinn, wollen beteiligt werden, sich weiter entwickeln, eigenverantwortlich ihre Arbeit gestalten und wertschätzend behandelt werden.
Da sie ein zunehmend knappes Gut werden, gelingt es nur, sie für sich zu gewinnen und sie an sich zu binden, wenn Unternehmen sich konsequent anders aufstellen.
Wenn Unternehmen also Mitarbeiter und Führungskräfte der Zukunft finden und binden möchten, müssen sie sich konsequent, sichtbar und nachhaltig auf den Weg zu neuen Arbeitswelten machen!
Das Zusammenführen dieser Bedürfnisse führt zu gravierenden Konsequenzen: Kultur- und Organisationsrevolution.
Elemente einer neuen Organisation der Arbeit und Führung sind:
1. Freiräume für Initiative schaffen
Die wertschöpfende Organisation von komplexem und vernetzen Wissen erfordert keine klassischen Hierarchien, sondern die Möglichkeit der intelligenten lösungszentrierten Zusammenführung von Wissen und Akteuren. Interaktive Arbeitsformen sind eine Antwort darauf. Dies bildet sich auch im Thema Social Media ab. Hierbei sind Wissen und Informationen auch keine Einbahnstraße mehr.
Der Mehrwert basiert auf biderektionalem Wissensaustausch, auf Interaktion. Hier schlummert bereits wieder eine Falle. Die technische Umsetzung mit Social Intranets ist nur die Umsetzung einer neuen Kultur. Dies funktioniert nicht, wenn die Kultur noch nicht so weit ist. Es gilt in großen Organisationen alle Akteure abzuholen und sie an diese Art der Interaktion so heranzuführen, daß dies ein normaler Bestandteil des täglich Miteinander wird. Technische Lösungen müssen dabei mobilzentriert, schnell und anwenderfreundlich gestaltet werden. Sie werden sonst schlichtweg nicht genutzt.
2. Arbeitsräume und -konzepte
Ein erster analoger Schritt ist die Schaffung von entsprechenden Arbeitsräumen, die dem Konzept des Co-working folgen, also die räumliche und geistige Zusammenarbeit ermöglichen und fördern.
Ein konkreter Schritt ist die Gestaltung der Arbeitsbereiche gemeinsam mit den Mitarbeitern. Es werden unterschiedliche Zonen für konzentrierte Einzelarbeit, interne und externe Meetings und projektbezogene längere Zusammenarbeit benötigt.
3. Digitale Führung
Führung muß sich neu definieren. Der bereits lange bestehende Trend weg von autoritären und positionsgetriebenen Führungsmodellen hin zu Fähigkeits- und eigenschaftsbezogenen Führungskonzepten muß konsequent weiter gedacht werden. Führung, die den Mitarbeiter partnerschaftlich in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellt. Wer als Führungskraft in der neuen Arbeitswelt erfolgreich sein will, muß es schaffen, Mitarbeiter zu „Fans“ zu machen.
Ich meine damit, es muß gelingen diese emotional und in der Sache so für sich zu gewinnen, daß sie sich gar keine andere Führungskraft wünschen und Akzeptanz aus Wertschätzung, Vertrauen und Beteiligung erwächst. Werte erlangen in diesem Kontext eine neue und erfolgsbestimmende Bedeutung.
4. Flexible Strukturen
Starre Hierarchien funktionieren nicht in einer wissensorientierten Organisation. Ersetzen Sie starre Organigramme durch flexible Netzwerkstrukturen. Arbeit und Zusammenarbeit wird bezogen auf Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit angepasst und findet im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice und Co-working statt.
Intelligente und flexible Modelle ermöglichen eine sanfte Rückkehr aus Auslandseinsatz, Elternzeit oder Sabbaticals. Starre Strukturen werden durch sich situativ anpassende Regelungen und Wertemanagement abgelöst. Diese veränderte Arbeitsweise stellt neue Anforderungen an die Informationstechnologie, die das Fließen von Informationen und Wissen ermöglichen und intelligentes Wissensmanagement fördern muß. Zeit, Ort und Präsenz dürfen keine technischen Barrieren mehr bilden.
5. Kommunikation
Kommunikation muß neue Formen der Zusammenarbeit abbilden und begünstigen. Kommunikation muß multidirektional und auf Interaktion angelegt sein. Sie ist das Blut in den Adern der Organisation. Stockt sie oder erreicht sie Teile nicht, so funktioniert der Organismus nicht. Jeder in der Organisation ist zu einem Teil Sensor, der Informationen über Erfolg oder Mißerfolg nahezu in Echtzeit zurückmelden muß.
Nur so lassen sich gemeinsam in komplexen und flexiblen Strukturen noch komplexere Markt- und Umfeldsituationen beherrschen. Flexible Kommunikation findet statt in proaktiv bedarfsgesteuerten ergebnisorientierten Meetings. Technik und Raumkonzepte müssen dies ermöglichen. Die Unternehmenskultur muß dies fördern und tragen.
6. Talent Management
Der Wandel des Arbeitsmarktes vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt ist eine Realität mit der sich einige Branchen, wie etwa die IT/Softwarebranche seit Jahren befassen, die aber inzwischen nahezu in allen Marktsegmenten und Branchen angekommen ist. Wer zukünftig unternehmerischen Erfolg haben will, der mehr als einen Mitarbeiter erfordert, muß talentierten Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven bieten. Unternehmen müssen sich Gedanken über Karrierepfade machen und Entwicklung gemeinsam mit den Mitarbeitern gestalten. „Entwicklungspartnerschaften auf Zeit“ entsprechen heute mehr der Realität und versprechen mehr Erfolg, als das situative Durchwursteln der Vergangenheit.
Jede Organisation muß ein klares Bild des heutigen IST-Zustandes haben. Es ist oftmals nicht einmal bekannt, wie viele Mitarbeiter wann in den kommenden Jahren geplant, also vorhersehbar, in den Ruhestand gehen.
Perspektiven erfordern Klarheit. Perspektive, Klarheit und ein aktiver Umgang mit dem Thema Entwicklung machen eine Abteilung, ein Unternehmen, eine Branche attraktiv.
Haben Sie das Image von „Talentegräbern“ ,verlieren Sie die guten Mitarbeiter und gewinnen bestenfalls noch die hinzu, die niemand sonst will. Unternehmerisch haben wir die Wahl und müssen agieren, nicht zuwarten!
7. Work-Life-Harmonie
Dieses Konzept geht über die klassische und begrifflich überstrapazierte Work-Life Balance hinaus, die aus meiner Sicht den Blick zu sehr auf zwei sich ausgleichende Pole legt: Leben und Arbeit.
Ich sehe die Thematik hier differenzierter und eher als harmonische Verbindung mehrerer innerer und äußerer Faktoren, die sich sinnvoll und harmonisch ineinander fügen müssen. Nur eine innere und äußere Harmonie lässt ein Fundament entstehen, auf dem die Herausforderungen einer immer komplexer und schneller werdenden Lebens- und Arbeitssituation bis ins hohe Alter gesund erlebbar werden.
Hier entsteht ein neuer Megatrend, den es in den Unternehmen aufzunehmen gilt. Gesundheitsmanagement ist dabei ein erster gedanklicher Schritt, meist aber bisher nur ein loser Baustein ohne tieferes Konzept.
Fazit:
Konkret bedeutet dies für Sie als Führungskraft und Unternehmer einen Paradigmenwechsel im Wertekorsett, der sich u.a. in die oben beschriebenen Themenbereich auffächert.
Warum wollen wir unser Miteinander verändern und wie können wir dies so tun, daß wir unser Geschäftsmodell zukünftig noch erfolgreicher mit unseren Mitarbeitern betreiben und weiterentwickeln?
Erfolg wird in der neuen, digitalen Arbeitswelt davon abhängen, wie schnell und erfolgreich diese Gedanken verstanden und wie konsequent diese umgesetzt werden. Maßstab ist hierbei die Wahrnehmung aus Sicht des internen Mitarbeitermarktes und des externen Arbeitsmarktes. Mitarbeiterbefragungen, Kündigungsraten, Krankenstände, Innovationskraft, Einsatzbereitschaft sind dabei die KPI´s, der Maßstab für die Währung in der abgerechnet wird, nicht der selbstverliebte, rechtfertigende Blick in den Spiegel und das Klopfen auf die eigene Schulter, was „man“ bereits alles getan hat.
Der relevante Markt entscheidet, was gut und notwenig ist, nicht das Unternehmen!
Lassen Sie diese Anregungen auf sich wirken und machen Sie den nächsten Montag zu einem Tag, an dem Arbeit neu gedacht wird. Ganz konkret „vor der eigenen Haustür“!
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Als „Change Leader“ bin ich auf genau diese Begleitung spezialisiert und unterstütze Einzelne Führungskräfte als „Sparringspartner“ oder Organsiationen dabei, Visionen und Ideen mit Umsetzungsmomentum in Erfolge zu verwandeln. - „Vom Schuß zum Tor!“
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